„Meistens ist die Nachfrage höher als Plätze vorhanden sind!“ / Lisa Thies (Kinderschutzbund Ahrweiler im Interview)

von Frank Göbel

Der Kinderschutzbund Ahrweiler. Wer ist das und was tut er eigentlich? Der Kreiselternausschuss Ahrweiler (KEA) in Person von Vorstand Frank Göbel hat sich das auch gefragt und wie die Philosophen schon sagen: Gehe zum Ort des Geschehens, hat Frank genau das getan. So traf er sich mit Lisa Thies vom Kinderschutzbund Ahrweiler und hat ihr ein paar Fragen gestellt.

Schnell wird klar was der Kinderschutzbund alles leistet und unterstützt. Die Ahrtalflut, aber auch die immer noch andauernde Corona-Pandemie machen das Arbeiten nicht einfacher.

Die pädagogische Fachkraft hat geduldig unsere Fragen beantwortet und das Ergebnis könnt ihr jetzt hier lesen:

Frank: Hallo Lisa, damit wir dich besser kennenlernen können, stell dich unseren Leser*innen doch mal vor.

Lisa: Ich bin als pädagogische Fachkraft im Bereich der Erwachsenenbildung und in verschiedenen Angeboten und Projekten für Familien mit Kindern tätig. Als Kindheitspädagogin und Erziehungswissenschaftlerin habe ich mich seit vielen Jahren mit den Themen der Kindheit, vor allem der Kleinkindzeit und mit der Fortbildung von Erwachsenen, die mit Kindern leben und/oder arbeiten, beschäftigt. Besonders am Herzen liegt mir eine qualitativ sehr gute Betreuung von Kleinkindern und die Unterstützung von allen Menschen, die mit Kindern umgehen.

Frank: Der Kinderschutzbund. Mit diesem Begriff können vermutlich nur die wenigsten etwas anfangen. Wer seid ihr und was sind eure Aufgabengebiete?

Lisa: Der Kinderschutzbund Kreisverband Ahrweiler e.V. ist ein gemeinnütziger Verein, welcher sich seit rund 30 Jahren im Kreis Ahrweiler für die Belange von Kindern und Familien einsetzt. Hierfür gibt es einige tolle Projekte, die auf unterschiedliche Art Familien im Kreis Ahrweiler unterstützen. Unser Team ist direkt mit den Erziehenden und den Kindern im Kontakt und Ansprechpartner für deren Themen. Zum Beispiel in Spielgruppen, Beratung, Patenschaften und der Tagespflegebörse. Eine Übersicht über alle Angebote können auf der Homepage http://www.kinderschutzbund-ahrweiler.de eingesehen werden.

Auf der nächsten Ebene gibt es die Landesverbände, welche zusätzlich die landespolitischen Bewegungen im Blick haben und unterstützend den Kreis- und Ortsverbänden zur Seite stehen. Diese wiederum sind an vielen Stellen zu finden und verwirklichen sehr verschiedene Projekte.

Der Bundesverband des Kinderschutzbundes ist ein großer Dachverband, welcher sich auf politischer und gesamtgesellschaftlicher Ebene für das Wohl der Kinder einsetzt. Seit langer Zeit werden beispielsweise politische Entscheidungen durch den Kinderschutzbund begleitet und im Sinne der Kinder mit entwickelt. Es geht also um Kinderschutz auf einer übergeordneten Ebene und um die Rechte von Kindern und Jugendlichen. In diesem Sinne setzt der Kinderschutzbund sich für das Recht auf gewaltfreies Aufwachsen, (politische und rechtliche) Beteiligung, Befriedigung der Grundbedürfnisse, Bekämpfung der Kinderarmut und Diskriminierungsfreiheit ein.

Frank: Wir beide kennen uns persönlich seit circa 2 Jahren. Ich habe bei dir die Qualifikation zur Tagespflegeperson gemacht. Das ist die Ausbildung zur Tagesmutter bzw. zum Tagesvater. Führe uns doch einmal durch diese Qualifikation. Was lernt man da und was ist das Ziel?

Lisa: Das Ziel dieser Qualifikation ist es, eine Pflegeerlaubnis durch das Jugendamt zu erwerben und dann als Kindertagespflegeperson bis zu 5 Kinder zu betreuen. Vor allem Kleinkinder werden in diesem Rahmen betreut, es kann aber auch eine ergänzende Betreuung zur Kita oder Grundschule erfolgen. Die Betreuung wird vom Kreis-Jugendamt mitfinanziert und findet in den meisten Fällen in den privaten Räumen der Kindertagespflegeperson auf selbständiger Basis statt. Allerdings können Firmen ebenfalls eine Tagespflegestelle gründen, hierfür Räume zur Verfügung stellen und festangestellte Mitarbeiter engagieren.

In der Qualifikation werden die zukünftigen Kindertagespflegepersonen auf ihre Tätigkeit vorbereitet und erhalten umfassende Kenntnisse im Bereich der Entwicklung von Kindern, der rechtlichen Voraussetzungen und Regelungen, der Zusammenarbeit mit Eltern und des Aufbaus der eigenen Kindertagespflegestelle. Da der Kinderschutzbund KV Ahrweiler e.V. als Delegationsnehmer für das

Kreis-Jugendamt auch die Tagespflegebörse und damit die Fachberatung und Vermittlung übernommen hat, ist auch im weiteren Verlauf der Arbeit als Kindertagespflegeperson eine enge Kooperation mit dem Kinderschutzbund Ahrweiler geboten.

Frank: Aus meiner Erfahrung weiß ich ja, dass der Beruf der Tagespflegeperson jetzt nicht so gefragt ist wie z.B. der eines Profi-Fußballers. Die Nachfrage nach häuslicher Betreuung hat allerdings ein beachtliches Standing, da individuellere Betreuung möglich ist. Wie sieht das aus? Wie viele Tagespflegepersonen haben wir im Kreis Ahrweiler? Und viel wichtiger: Haben wir genug?

Lisa: Die häusliche, oder familiennahe Betreuung von kleinen Kindern wird von vielen Familien genutzt. Sie bietet viele Vorteile, da die Kinder vor allem im Kleinkindalter in einer kleinen Gruppe von einer festen Bezugsperson betreut werden und der Stresspegel deutlich geringer ist als in einer großen Einrichtung. Viele Eltern ziehen diese Art der Betreuung in Betracht und sind mit diesem Modell sehr zufrieden. Der Bedarf an Betreuungsplätzen im Kreis Ahrweiler ist sehr hoch, unterliegt aber auch großen Schwankungen. Meistens ist die Nachfrage höher als Plätze vorhanden sind, so dass es tatsächlich wichtig ist, mehr Tagespflegepersonen auszubilden. Aktuell ist wieder ein Qualifizierungskurs gestartet und wir sind sehr zuversichtlich, dass uns das auch im nächsten Jahr wieder gelingen wird. Besonders attraktiv ist dieser Beruf für Menschen, die pädagogisch interessiert sind, zu Hause arbeiten wollen und hier für ihre eigenen Kinder da sein möchten. Ich glaube nicht, dass man genug Tagespflegepersonen haben kann.

Frank: Jetzt sind wir im Januar 2022 und viele von uns haben immer noch die schrecklichen Ereignisse vom 15. Juli 2021 und dessen Folgen vor Augen. Wie ist der Kinderschutzbund durch das Hochwasser gekommen? Physisch (Gebäude) und organisatorisch.

Lisa: Glücklicherweise waren weder unsere Geschäftsstelle in Bachem noch unser Familientreff in Oberbreisig von der Flut beschädigt, aber einige unserer Mitarbeiter und Vorstände sind betroffen.

Unsere Arbeit konnten wir zu Beginn nur bedingt wieder aufnehmen, da die Infrastruktur (z.B. Internet usw.) fehlte. Organisatorisch hat sich natürlich ebenfalls sehr viel verändert, da die Menschen im Ahrtal ganz andere Bedürfnisse haben. In einer Situation, in der es um ganz basale Dinge wie Häuser ausräumen, Essen und Trinken organisieren oder das weggeschwommene Auto wiederfinden geht, sind beispielsweise Spielgruppen erstmal uninteressant. Nach kurzer Zeit konnten wir jedoch auf die Bedarfe der Familien eingehen und in unseren Möglichkeiten bewährte und neue Angebote aktivieren. So gibt es seit Anfang September beispielsweise einen offenen Bastel- und einen offenen Waldnachmittag, der für Kinder und Familien ein Treffpunkt und eine kleine Auszeit darstellt. Außerdem bieten wir in Zusammenarbeit mit Notfallpädagogen Fortbildungen für Erwachsene an, die in umfassender Weise die traumatischen Erlebnisse und ihre Folgen aufgreifen und begleiten können. Aktuelle Termine zu diesen Fortbildungen finden sich auf unserer Homepage oder auf Facebook.

Was uns ganz besonders freut und dankbar macht sind unzählige Spenden, die uns aus ganz Deutschland erreichen und welche wir an bedürftige Familien weitergeben dürfen. Da uns für Sachspenden schlichtweg die Räume und Lagerkapazitäten fehlen, nehmen wir sehr gerne finanzielle Spenden an und geben diese an Familien im Kreis Ahrweiler weiter. Wir hoffen, dass die Spenden auch im nächsten Jahr nicht abreißen und auch dann den Menschen zugutekommen können, wenn die Renovierungskosten steigen werden.

Frank: Um das große Thema Corona kommen wir natürlich auch nicht drumherum. Haben wir eben noch das Hochwasser angesprochen, so passierte das alles unter dem Brennglas Corona. Wie groß war das Thema unter den Tagespflegepersonen? Z.B. Darf ich ein U3 Kind annehmen, wenn ein Elternteil positiv getestet ist? Darf /muss ich Kinder testen bevor ich sie annehme. Ich kann diese Fragen endlos weiterführen. Haben euch solche Anfragen erreicht?

Lisa: Ja, Corona ist natürlich ein großes Thema, das die Kinder unserer Gesellschaft besonders hart trifft. Die Tagespflegepersonen wurden durch unsere Fachberatung und das Jugendamt immer informiert, wenn es neue Verordnungen oder Regelungen gab, die sie betrafen. Blieben Fragen offen, so konnten sie sich jederzeit informieren. In Zeiten des Lockdowns gab es finanzielle Unterstützung über Landes- und Kreismittel. Da die Kindertagespflege in einem kleinen Rahmen stattfindet und es sich um Kleinkinder handelt, mussten diese nicht getestet werden. Als Selbständige haben die Tagespflegepersonen einen gewissen Spielraum in ihren Entscheidungen. Viele haben ihre Arbeitsstrukturen etwas verändert und zum Beispiel sehr viel draußen betreut oder die Kinder an der Tür in Empfang genommen. Da Kleinkinder in besonderem Maße auf feste Bezugspersonen, Körperkontakt und Interaktionen angewiesen sind, müssen Schutzmaßnahmen hier mit besonderer Umsicht eingesetzt werden, damit die gesunde Entwicklung der Kinder nicht gefährdet wird.

Wir bedanken uns bei Lisa für ihre Zeit und wünschen dem Kinderschutzbund Ahrweiler alles Gute für die Zukunft!

Wer nun mehr über den Kinderschutzbund Ahrweiler erfahren möchte oder noch mehr Fragen hat, kann dies hier tun:

Geschäfts- und Beratungsstelle / Familientreff

Neuenahrer Straße 11

53474 Bad Neuenahr-Ahrweiler / OT Bachem

02641-79798

info@kinderschutzbund-ahrweiler.de

Öffnungszeiten:

Montag & Donnerstag von 14.00 – 18.00 Uhr

Mittwoch & Freitag 09.00 – 12.00 Uhr

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